Mittwoch, 4. November 2009

Das Tal der Dordogne und der Aufstieg des Menschen

Ich habe einmal eine Woche im Tal der Dordogne, einem der großen archäologischen Weltwunder, verbracht. Als ich dort herumfuhr, kam ich an einem Team von Paläontologen vorbei, die mit Ausgrabungen beschäftigt waren und nach Hinweisen auf den Ursprung des Menschen suchten. Unglaublich: Vor 60.000 Jahren ist die Gesamtzahl der Menschen auf diesem Planeten auf 2.000 gesunken. Die Hälfte dieser Menschen reiste nach Norden; sie zogen durch die afrikanischen Wüsten und Savannen in die bitterkalte Landschaft Europas. Eine kleine Splittergruppe ließ sich in der Dordogne nieder und kämpfte hier tapfer für die Existenz der menschlichen Rasse. Entgegen jeglicher Chance gediehen sie. Sie schufen die erste Kunst, die wir kennen, Gemälde von Bisons und Rotwild auf Höhlenwänden. Sie entdeckten die Prinzipien der Landwirtschaft, lernten mit Felsblöcken zu bauen und errichteten schließlich Schlösser auf den Höhenzügen entlang der Flussufer. Heute ist das idyllische Dorf, in dem ich zum Abendessen hervorragende französische Küche genoss, von einer Patchwork-Decke von Bauernhöfen umgeben. Am Rande des Dorfplatzes liegt ein Museum für impressionistische Kunst und eine romanische Kirche. Alle Häuser des Dorfes sind aus Steinen gebaut, die gekonnt zusammengefügt wurden und die Jahrhunderte überdauert haben, gebaut, um sowohl praktisch als auch schön zu sein. Hier gibt es auch ein luxuriöses Hotel für wohlhabende Gäste, die in ihren Luxuslimousinen hierher kommen, um ihre Ferien zu verbringen.
Alles in der Dordogne bezeugt den Willen, die Liebe und die Genialität unserer Art. Man kann nicht hier sein, ohne das Wunderbare des menschlichen Geistes einzuatmen. Die Dordogne ist ein großartiges Denkmal für den Aufstieg, den der Neocortex durch Versuch und Irrtum vollzogen hat. Auf diese Weise hat er eine Meisterschaft entwickelt, die schließlich den genetischen Code entschlüsselt, das Atom gespalten, das Gehirn kartografiert, uns zum Mond und wieder zurück geführt hat.
Gestalten von Mozart zu Beethoven, Kopernikus zu Einstein, Shakespeare zu Picasso, Lincoln zu Mandela haben im Laufe der Geschichte Zeugnis vom Potenzial des Neocortex zum Genie abgelegt. Die Errungenschaften all dieser Menschen waren keineswegs ganz oder auch nur weitgehend individueller Natur. Was sie erreicht haben ist eine Synthese dessen, was andere Menschen vor ihnen errungen haben. Menschen, die ein ganz normales Leben geführt haben. Die Geschichte der Menschheit gleicht einer Kathedrale, die Stein für Stein erbaut wurde – mit Steinen, die von viel zu vielen Menschen herbeigeschafft und an ihren Platz gesetzt wurden, als dass die Geschichtsschreibung sie alle nennen könnte. In der Geschichte wird dafür jeder Stein durch den Namen einer Person repräsentiert, deren Kopf die Menge überragte. Doch in einem sehr realen Sinne gehören diese Errungenschaften der Menschheit als Ganzes, also auch Ihnen und mir, genauso wie Einstein und Shakespeare. Jedes unserer Leben trägt genau jetzt einen Stein bei, der unser einzigartiger Beitrag zu dem Seitenflügel ist, den jede Generation zu der von der gesamten Menschheit erbauten Kathedrale hinzufügt. Gene Scherer hat dem Geist dieses Erbes, das ein Bund der gesamten Menschheit ist, Ausdruck gegeben: „Jede Generation, von den großen Ebenen bis an die fernen Küsten, war fest entschlossen, mit ihren Gaben mehr zu hinterlassen.“
Gerade in diesen schwierigen Zeiten sollten wir unsere Ahnen ehren, indem wir uns auf die Großartigkeit dessen besinnen, was wir sind, die Wunder, die wir erreicht haben und was wir fähig sind, zu tun.